8.10.2018: Was, werden Sie jetzt angesichts des Fotos fragen, ist DAS? DAS ist Bruce Lee – oder besser: die Statue von Bruce Lee. In Mostar, Bosnien-Herzegowina. Dort, wo gestern ein Wahltag zu Ende ging, der in etwa so spannend war, wie es vermutlich die Bayernwahl am 14. Oktober sein wird … mit ein paar schwerwiegenden Unterschieden allerdings.
3,4 Millionen Bürger waren gestern im Nachbarland von Kroatien zur Wahl aufgerufen. Wählen gegangen ist weniger als die Hälfte – wie schon bei der letzten Wahl. Was wurde überhaupt gewählt? Nicht EIN Parlament, sondern 13 – plus ein Staatspräsidium:
- das sogenannte Bundesparlament von Bosnien-Herzegowina
- die Parlamente der zwei Landeshälften – Bosnien und Herzegowina
- die 10 autonomen Kantone in der muslimisch-katholischen Landeshälfte.
Der Fokus lag auf der Wahl des Staatspräsidiums. Es besteht aus drei Mitgliedern: einem Vertreter der muslimischen Bosniaken, einem der orthodoxen Serben und einem der katholischen Kroaten.
Bei den Serben siegte Milorad Dodik – einer der als russlandfreundlicher Nationalist gilt. 55 Prozent der Stimmen fielen auf ihn. Sein Ziel: Loslösung des serbischen Teils von Bosnien-Herzegowina.
Für die Bosniaken sitzt künftig Sefik Dzaferovic im Staatspräsidium. Auch er wird dem nationalistischen Teil zugerechnet. Sprich: Abspaltung von den anderen ist sein Ziel.
Jeder gegen die jeweils anderen – das ist in Bosnien-Herzegowina politischer Alltag. Weshalb ein Freund schon Tage vor der Wahl sagte: “Ich gehe nicht hin. Warum sollte ich? To je sve isti djava.” Auf deutsch übersetzt in etwa: In allen steckt derselbe Teufel. Die Deutschen würden vielleicht sagen: vom Regen in die Traufe …
Dass rechtsgerichtete Politik überall dort, wo Frust herrscht, Stimmen gewinnt – das ist ein weltweites Phänomen. Dass Zusammenarbeit in der Politik eine Kunst ist, die immer weniger Politiker beherrschen oder beherrschen wollen, wissen die Deutschen sehr gut.
Es gibt in Bosnien aber Menschen, die Hoffnung haben – dass der Krieg nach dem Krieg, nämlich die Feindschaft der Religionen (muslimisch gegen orthodox gegen katholisch) und Gefechte der in einem Land zusammen und oft gegeneinander lebenden Völkergruppen, doch eines Tages begraben werden – und dass man gemeinsam dieses schöne Land zukunftsfähig macht. Das geht auch Kroaten etwas an: Es ist besser, einen starken, gesunden Nachbarn zu haben als einen, der am Boden liegt.
Die Kroaten stellten mit Zeljko Komsic den einzigen Politiker zur Wahl, der nicht mit nationalistischen Sprüchen Stimmen zu ergattern versuchte. Sein Versprechen nach dem Wahlsieg: “Ich werde allen Bürgern dienen.” Bosnien-Herzegowina wolle er in einen bürgerlichen Staat umgestalten.
Das ist – klingt jedenfalls – neu. Denn bisher war es so: Die serbische Bevölkerungsgruppe will zu Serbien gehören, die kroatische zu Kroatien, die Muslime wollen Bosnien für sich allein.
In Mostar steht die Statue von Bruce Lee. Sie steht dort seit 2005 auf dem Spanischen Platz, und Touristen besuchen sie gern, um vor dem berühmten Kungfu-Star ebenfalls Kampfposen einzunehmen. Jeder kennt Bruce Lee. Auch jeder in Bosnien-Herzegowina. Er war damals der einzige im erbitterten Streit um eine einer Statue würdige Persönlichkeit, der alle Lager vereinte. Der heimische Schriftsteller Veselin Gatalo brachte Bruce Lee damals ins Spiel. Warum? “Er ist ein internationaler Held und Vorbild aller Ethnien in Bosnien”, sagte Gatalo damals. “Er besaß viele Qualitäten: seine Fertigkeiten, Loyalität, Freundschaft, Gerechtigkeitssinn.”
Bruce Lee beeindruckte übrigens nicht nur im Kampf – sondern auch mit Worten. Ein sinniger Ausspruch von ihm: “Geduld ist nicht passiv, im Gegenteil: Sie ist konzentrierte Stärke.” Wir wünschen Kroatiens Nachbarn Geduld und Stärke. Und: Hoffnung.
Hier ein lesenswerter Text zu Bosnien:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/bosnien-wahl-blutrosen-alte-geister-und-die-hoffnung-a-1231486.html
(Foto: Tina Stommel)